02.11.2020

Komplexe Systeme durchdringen und Potenziale entfalten


Mit grosser Leidenschaft beschäftigte ich mich mit dem vielfältigen Beziehungsgefüge zwischen Mensch und Umwelt, dem zentralen Konzept der Architekturpsychologie. Dabei geht es um eine differenzierte Betrachtung der wechselseitigen Abhängigkeiten räumlich-baulicher Umgebungen und ihren Nutzer*innen und den damit zusammenhängenden inhaltsreichen Fragestellungen:

„Wie nehmen wir Räume wahr?“

„Welche emotionalen Reaktionen werden darüber ausgelöst?“

„Wie wirkt sich das Erleben von Raum auf das Verhalten einzelner Individuen, wie auf das von Gemeinschaften aus?“

„Wie wirken die ausgelösten Handlungsimpulse wiederum auf den Raum zurück?“

Ungefähr 90 Prozent unserer Lebenszeit verbringen wir in gebauter, von Menschen gestalteter Umwelt. Auf diese Innen- wie Aussenräume reagieren wir – bewusst wie unbewusst – psychisch und physisch sehr umfassend. Die darüber ausgelösten, Mensch und Raum verbindenden Emotionen verfügen über eine sogenannte Optimierungsfunktion hinsichtlich Zufriedenheit und Wohlbefinden und stehen im direkten Zusammenhang mit unserem Gesundheitsstatus. Insofern ist es von Bedeutung, die Wirkfaktoren und Merkmale zu kennen, welche bei der Wahrnehmung der unmittelbaren Umgebung insbesondere positive Emotionen auslösen. Diese spezifischen Elemente in dem jeweiligen Kontext angemessen zu berücksichtigen, führt nachweislich zur Stärkung unserer psychischen wie physischen Gesundheit.

Die abgebildete Netzwerkgrafik visualisiert die Vielzahl von Einflussfaktoren, die in diesem Gesamtgebilde wirken. Sie beruht auf Erkenntnissen einer durchgeführten qualitativen Studie zum Zusammenhang von „Mental Health“ und „Biophilic Design“, hier mit Pflanzen gestaltete Arbeitsumgebungen und dem Wohlbefinden der Nutzer*innen. (Waterholter, 2018).

Die Grafik bringt weiterhin die Interdependenzen der Elemente zum Ausdruck, die im Mensch-Umwelt-System eine tragende Rolle spielen. Die gegenseitigen Abhängigkeiten schaffen eine Sicherheit vermittelnde Begrenzung und zugleich Freiheit für Handlungsmöglichkeiten. Die Erfüllung elementarer Bedürfnisse begünstigt den Prozess der Weiterentwicklung: Eine, Schutz und Orientierung bietende Umgebung ist eine wichtige Voraussetzung zur Realisierung des eigenen Potenzials und das, sozialer Gemeinschaften.

Die Gesamtheit aller Umweltfaktoren, die auf uns Menschen tagtäglich einwirkt, ist von sich aus bereits sehr komplex. Darüber hinaus bewegen uns technologische und gesellschaftliche Entwicklungen und aktuell im besonderen Masse die psycho-sozialen Auswirkungen der Corona-Krise. Weltweit sind diese Unsicherheiten eine enorme Herausforderung und werden vielfach als belastende, stressauslösende Situationen empfunden.

In diesem Kontext ist eine erfolgreiche Bewältigungsstrategie die Wertschätzung und Stärkung von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Diese Methodik schafft ein erweitertes Bewusstsein, welches uns ermöglicht, Zusammenhänge besser zu verstehen, uns weiterzuentwickeln und so unser ganzes Potenzial für die Bewältigung aktueller Probleme entfalten zu können. Das Erleben von Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit wirkt umfassend auf die psychische Gesundheit.

Aus diesem Blickwinkel ist es mein Anliegen, das Augenmerk im Zusammenwirken von Mensch und Raum nicht nur auf funktionale Aspekte sondern insbesondere auf die psychologisch-wirksamen Merkmale zu legen, die positive Emotionen auslösen und Atmosphäre schaffen. Zusammen mit allen Beteiligten sollten die so erzeugten Stimmungen kultiviert werden, um Gesundheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden auch längerfristig bewahren zu können.